Spricht man mit Besitzern der Rasse Mangalarga Marchador oder befasst man sich etwas mit der Literatur - sei es im Ursprungsland Brasilien oder in den Ländern Europas - so eint die Besitzer die generelle Liebe zur Rasse aufgrund der Schönheit und Eleganz der Tiere wie auch aufgrund ihres ausgeprägten Sanftmuts und ihres Menschenbezugs.
Das Fundament der Begeisterung stellt in erster Linie jedoch der rassetypische Gang „Marcha“ dar. Je nach Zuchtziel und Ausbildung des Tieres kann dieser in einer Vielzahl von unterschiedlichen Ausprägungen auftreten. Und so überrascht es kaum, dass es an dieser Stelle mit der Einigkeit unter den Reitern auch schnell vorbei ist, denn ein jeder bevorzugt nun einmal seine ganz individuelle Lieblingsausprägung und ist geneigt, davon auch andere MM-Reiter zu überzeugen.
Nachfolgend deshalb einige grundsätzliche Beschreibungen, von denen ein jeder sich jene zu eigen machen kann, die für ihn am meisten Bedeutung haben. Idealerweise finden sich für jeden mehrere zutreffende Aussagen. Gleichzeitig wäre es fair, auch die Aussagen gelten zu lassen, die sich andere MM-Freunde eher auf die Fahnen schreiben. Das ist die Art von Toleranz, für die EAMM steht:
„Marcha“ und „Tölt“
Zunächst einmal ist es wenig zielführend die Gangart „Marcha“ mit dem „Tölt“ der Islandpferde zu vergleichen, denn dazu ist das Gangrepertoire der Mangalarga Marchador bei Weitem zu vielseitig und am Ende auch signifikant eigenständig.
Korrekt ist vielmehr die Gangart Marcha zum übergeordneten Begriff der Viertakt-Gangarten zu zählen, denn das ist sicherlich der gemeinsame Nenner aller Gangpferde.
Drei-Gänger und/oder Vier-Gänger
Ersetzt die Gangart Marcha den Trab? Gibt es MM, die taktrein sowohl über Marcha als auch über Trab verfügen? Darf/soll ein MM überhaupt im Trab bewegt werden?
Gegenfrage: Welchen Beitrag soll die Ermittlung der „Wahrheit“ auf die Beantwortung von solchen oder ähnlichen Fragen auf die Freude an unseren Pferden haben? Gibt es überhaupt eine alleinige Antwort?
Zweifelsfrei ist lediglich, dass die Zuchtordnung der ABCCMM (brasilianischer MM-Verband) festlegt, dass Trab bei MM nicht erwünscht ist; und eine Eintragung ins Stammbuch nicht erfolgen kann, wenn ein MM keine Marcha sondern nur Trab anbietet.
Es kann jedoch nicht übersehen werden, dass etliche nach Europa eingeführte MM durchaus unverkennbar neben der Marcha einen taktreinenTrab anbieten, wenn man es als Reiter zulässt und/oder fördert.
Unsere Formel lautet deshalb: Zwingende Voraussetzung für ein Mangalarga Marchador ist, dass das Pferd über die Marcha verfügt. Kann es darüber hinaus im Einzelfall auch traben, so soll das keine Herabsetzung sein, sondern eher als ein weiterer Beweis gelten, wie vielseitig unsere Rasse ist. Die Originalität eines Mangalarga Marchador ist unabhängig davon, ob er reiner Drei- oder sogar Viergänger ist. Jedoch in jedem Fall ist Marcha obligatorisch.
Unstrittig ist schliesslich auch, dass die Evolutionstheorie der Gattung der Pferde belegt, dass sowohl der Trab als auch der Rhythmus der Gangpferde bereits vor der Entdeckung diverser Kolonien im Süden oder Norden unseres Globus - genetisch bedingt - bekannt waren. Bereits der mittelalterliche Begriff „Zelter“ bezeichnet die Fussfolge der Gangpferde und soll als Beleg erwähnt werden.
Weiterhin ist historisch belegt und kaum in Frage zu stellen, dass es die zeitlichen Umstände der jeweiligen Gesellschaft waren (Stellenwert des Pferds zur Personenbeförderung, Industrialisierung und Entwicklung des Automobils, Pferde als Transportmittel in Kriegen, Einsatz in der Landwirtschaft, Ziele im Pferdesport, etc.), die in der Pferdezucht den Trab gegenüber den Fussfolgen des Gang-Rhythmus einen grösseren Stellenwert gaben oder auch umgekehrt.
Kurzer Exkurs: Die Liste der Pferderassen, die eigentlich hinsichtlich ihrer Zuchtziele reine Trab-Veranlagung haben sollten und aktuell dennoch vereinzelt auch Gang-Rhythmen anbieten, ist unübersichtlich lang.
Die Fussfolgen der Marcha
Marcha ist ein natürlicher, symmetrischer, vorwärtsgerichteter Viertakt-Gang. Im Gegensatz zum Trab, der lediglich über vier Phasen verfügt, kann der Gang Marcha in einen Kreislauf von acht ideal-typischen Phasen eingeteilt werden, in dem sich:
• diagonale mit lateralen Fussfolgen abwechseln,
• die jeweils durch Dreibein-Fussfolgen unterbrochen werden.
Marcha sieht folglich im Zuchtziel weder eine Einbeinstütze noch eine Sprungphase vor, womit nochmals darauf hingewiesen sein soll, dass der Vergleich mit dem (Renn-)Tölt der Islandpferde nicht zutreffend ist.
Ein häufig hervorgehobenes optisches Merkmal von Marcha ist - in der Seitenansicht - die beim Fusswechsel einen Halbkreis beschreibende Anordnung der Gliedmassen der Vorderbeine. Ein aufwändigerer Bewegungsablauf ist im Zuchtziel nicht vorgesehen, denn das ginge zu Lasten der Ausdauer bei Endurance-Ritten.
Insofern verzichtet die brasilianische Zuchtordnung ganz gezielt auf spektakuläre Bewegungen der Vorderbeine. Diese halbkreisförmige Anordnung der Vorderbeine beim Schrittwechsel gilt auch als einer der Gründe, weshalb ein Mangalarga Marchador so komfortabel zu reiten ist, denn der Auftritt der Vorderbeine ist durch diese Bewegung der Gliedmaßen besonders elastisch und weich.
Kennzeichnend für die Vorwärtsbewegung ist auch die Anordnung der Hufabdrücke: Die Hinterhufe sollen bei normalen Boden-Bedingungen die Vorderhuf-Abdrücke nämlich mindestens decken oder sogar überlappen.
Und noch ein Exkurs: Unterschiede Trab vs. Marcha
Gegenüber dem Trab unterscheidet sich die Fortbewegungs-Technik der Marcha:
• durch die Anzahl der Phasen pro Raumfortschritt,
• die unterschiedlichen Fussfolgen,
• aufgrund der doppelten Frequenz sowie
• kompletter Wegfall der Flugphase und in der Folge
• erschütterungsfreieres, komfortables Reiten.
Varianten der Marcha
Man unterscheidet demzufolge zwei grundsätzliche weitere Untervarianten der Marcha:
Marcha Batida
Zentrale Kennzeichen dieser Variante sind:
• Verschiebung in die diagonale Bewegung
• der Raumgriff ist im Batida-Rhythmus grösser und somit die Frequenz der sich abwechselnden unterschiedlichen Fussfolgen niedriger.
• akkustisch vernehmbar ist das Resultat: kurze, echoartige Doppeltakte.
• in der Seitenansicht kann - erwischt man den richtigen Moment - eine perfekte „M“-Formation der Beine ausgemacht werden.
• Batida-Pferde bewegen sich tendenziell regelmässiger und gleichförmiger.
• geringfügige Schaukel-Bewegungen folgen eher dem „auf/ab“-Muster (deshalb vielleicht auch die Bezeichnung „trabverschobener Viertakt“)
• der Wechsel in den Galopp fällt den Batida-Pferden tendenziell leichter
• für (einfache) Dressur-Übungen sind sie i.d.R. geeigneter.
Marcha Picada
Die Eigenschaften dieser Variante lassen sich wie folgt beschreiben:
• Verschiebung in die laterale Bewegung
• die Schrittlänge ist kürzer und somit die Frequenz der sich abwechselnden unterschiedlichen Fussfolgen höher.
• das führt dazu, dass der akkustische Vier-Takt schneller, gleichzeitig jedoch wesentlich regelmässiger und rhythmisch-gleichförmiger zu hören ist.
• auch hier können geringe Schaukelbewegungen erkennbar sein, die jedoch eher der Bewegungsrichtung „rechts-links“ folgen
• diese Variante ist auch deshalb besonders beliebt, weil vertikale Bewegungen des Reiters nahezu vollkommen unterbleiben.
• die Picada-Pferde können sich bei einem Tempowechsel zum Galopp etwas schwerer tun. (Vierschlaggalopp).
Marcha de Centro (auch Marcha Media, Marcha Verdadeira, oder Marcha Ideal)
Alle Bemühungen, die unter diesen Namen zusammengefasst werden können, eint das Ziel, den Raumgriff und die Rhythmik der Batida-Pferde mit der uneingeschränkteren Bequemlichkeit der Picada-Pferde in Einklang zu bringen.
Zusammenfassung:
Bleibt anzumerken, dass die obigen Abhandlungen lediglich eine theoretische Ideal-Beschreibung darstellen. Die Realität zeigt, dass jeder Mangalarga Marchador ausnahmslos über eine Vielzahl von Nuancen seines Gangrepertoires verfügt. Die Grenzen sind fliessend und manchmal sogar von der „Tagesform“ von Pferd und Reiter abhängig.
In der Folge überrascht es gar nicht so sehr, dass es sogar Mangalarga Marchadores gibt, die beide Techniken anbieten. Ausserdem kann es einem erfahrenen Züchter/Reiter gelingen, auch einen Wechsel – zumindest von Batida zu Picada – herbeizuführen.
Regelmässiges Training und Erfahrung des Reiters wird dem Pferd helfen, seine „Defizite“ - wenn sie als solche wahrgenommen werden – abzubauen und seine Talente zu fördern. |